Es kam was kommen musste. Ich durfte in der letzen Woche das indische Gesundheitssystem testen. Zuvor hatten sich einige Moskitostiche böse entzündet. Mein gesamter rechter Fuß ist dadurch angeschwollen, wodurch ich nicht mehr in der Lage war richtig aufzutreten und mich auf einem Fuß fortbewegt habe. Das war natürlich kein Zustand aber ich habe gedacht nach ein paar Tagen wird sich das schon legen. Aber es wurde von Tag zu Tag schlimmer und irgendwann meinte Helmut dann es wäre nun wirklich an der Zeit einen Arzt aufzusuchen. Ich muss gestehen, dass ich nicht unbedingt angetan war hier einen Dorfarzt bzw. ein Krankenhaus aufzusuchen. Ich hab zuvor viele Geschichten gehört. Von Leuten, die sich hier „Doctor“ nennen aber nie zuvor Medizin studiert haben und mal eben Blut abnehmen obwohl man nur einen Husten hat. Außerdem haben andere Freiwillige ihre eigenen sterilen Nadeln aus Deutschland mitgebracht weil sie Angst hatten, dass hier Nadeln nur mit Alkohol desinfiziert werden und danach wiederbenutzt werden. Solche Horrorstories gehen hier um!
Also bin ich zusammen mit Helmut mit total mulmigem Gefühl Richtung Krankenhaus aufgebrochen. Ich hatte mich gleich auf eine mehrstündige Warterei eingestellt aber schon zu Beginn wurden wir überrascht.
Unser Bus-Driver hat uns mit dem School-Van zum 2Km entfernten Queen Mary Hospital gebracht. Ein völlig neues und sauberes Krankenhaus, das unter katholischer Trägerschaft steht. Viel los war auch nicht und so sind Sunil, der ebenfalls eine Verletzung am Fuß hatte und ich sofort drangekommen. Der Arzt konnte flüssig Englisch, hat sich sofort erkundigt was wir hier machen und uns erstmal beruhigt, dass meine Schwellung nach der Einnahme einiger Medikamente und durch Ruhe nach ein paar Tagen wirklich wieder weggeht.
Womit er mich dann doch geschockt hat, war die Tetanus-Spritze, die er mir verpassen wollte. Meine letzte Tetanus-Impfung hab ich 2008 in Deutschland bekommen und er meinte eine Auffrischung wäre definitiv besser, also blieb mir nichts anderes als einzuwilligen. Im anderen Behandlungszimmer bekam ich dann die Spritze und einen neuen Verband verpasst. Deutsche Spritzen werden ja grundsätzlich in die Oberarmmuskulatur gespritzt, aber die Inder machen es natürlich wieder anders. So wurde mir die Tetanus-Spritze in die Hüfte gejagt. Bei der Spritze handelt es natürlich um sterile Spritzen und auch die Einstichstelle wurde vorher desinfiziert. Nach einem frischen Verband konnten wir dann noch in der Krankenhausapotheke meine Medikamente besorgen. Also besser hätte eine Behandlung in Deutschland nicht ablaufen können. Ich war echt super positiv überrascht. Und das Beste an der ganzen Sache ist, dass die Behandlung, der Verband, die Spritze und die Medikamente nicht mehr als 10€ gekostet haben. Ja, liebes deutsches Gesundheitssystem daran müssen wir wohl noch arbeiten!
Hier im Projekt wurde am vergangen Wochenende das Ganesha-Festival gefeiert. Die Kinder haben ja schon Wochen vorher mit den Vorbereitungen für die Genesha-Hütte angefangen. Während des Festivals kommt der Gott Genesha auf der Erde zu Besuch. Deshalb hat unser Bus-Driver mehrere Statuen aus Lehm angefertigt und handbemalt. Die Kinder haben für die Hütte Palmenblätter geflochten, welche dann als Wände und Dach dienten. Damit es nicht zu sehr rein regnet wurde noch eine Plane drüber geschmissen. Von innen wurde die Hütte natürlich in kitschigen Farben geschmückt. Es sah aus wie zu Weihnachten. Überall funkelte, blitze und blinkte es. Und in der Mitte stand die pinke Ganesha Statue.
Gegen Donnerstagabend gab es dann noch einmal eine große Überraschung. Wir wurden von den Kindern durch wildes Klopfen an unserer Zimmertür darauf hingewiesen, dass wir doch jetzt schnell zu einer „function“ in die Hall kommen sollen. Die „function“ stellte sich als Feierstunde heraus. Denn unser Projektleiter und seine Frau hatten 14. Hochzeitstag und die Kinder hatten dieses Datum wohl irgendwie herausbekommen und eine kleine Feierstunde organisiert. Richtig knuffig. Es gab Kuchen und zur Feier des Tages wahnsinnig süße Fanta. Danach wurde dann noch wild in der Halle rumgeturnt und dann sind wir nur noch ins Bett gefallen.
Was wir dann am nächsten Tag mal wieder nicht wussten, dass aufgrund des Genesha Festivals, der Freitag frei ist und deshalb die Schule ausfällt. Die Kinder haben den Tag genutzt um ihre Hütte fertigzustellen und Helmut und ich haben uns über einen freien Tag gefreut.
So hab ich gegen Abend mit ein paar Kindern erstmal den Plastikmüll zusammengesammelt, der hier auf dem gesamten Gelände rumfliegt und verbrannt. Das Problem ist nämlich, dass man am Umgang mit dem Müll noch sehr gut sieht, dass Indien landwirtschaftlich geprägt ist.
Abfälle werden einfach auf den Boden geworfen, egal ob es in der Stadt oder auf dem Land ist. Die Inder gehen davon aus, dass eh alles verrottet, vergammelt oder verrostet. Nur das Plastik nicht vergeht, damit haben sie natürlich nicht gerechnet. Dementsprechend sieht es hier halt auch aus. Überall liegt irgendwelcher Müll rum und vor allem der Plastikmüll springt sofort ins Auge.
Am Samstag haben wir dann vormittags zusammen mit Suvi und Georg das Genesha Festival gefeiert. Dabei haben sich alle in der Hütte versammelt und haben während unterschiedlicher Gebete die Statue angebetet. Zum Anlass des Festes haben die Kids auch alle neue Klamotten bekommen und haben uns diese ganz stolz präsentiert.
Gegen frühen Nachmittag haben wir Volunteers uns dann auf nach Mysore gemacht um dort im Parklane Hotel zu speisen und ich habe mir im Cafe Coffee Day einen Choco Cappuccino samt leckeren Muffin gegönnt. Herrlich mal wieder einen Cappuccino zu trinken. Bei uns im Projekt gibt’s nämlich nur indischen Chai, ein schwarzer Tee der mit viel Milch und noch mehr Zucker serviert wird. Lecker aber trotzdem vermiss ich einen vernünftigen Kaffee.
Naja und nebenbei wurde noch die Einkaufsliste abgeklappert.
Am Sontag haben wir uns dann auf die Weg in den Zoo Mysores aufgemacht. Dieser war natürlich aufgrund des Festivaldays total überfüllt. So wurden nicht nur Bildern von den vielen exotischen Tieren gemacht sondern auch von uns. Ich will nicht wissen auf wie vielen Handykameras ich jetzt vertreten bin, denn die Inder haben einfach im Vorbeigehen ihre Kamera auf uns gerichtet. Nebenbei kommen natürlich immer wieder die allseits beliebten Fragen: „What is your name“ und „Where are you from?“ Mehr ist eigentlich gar nicht wichtig. Von einigen Indern wurde ich auch „versehentlich“ angerempelt und kurz am Arm berührt. Dieses Prozedere machen sie um zu gucken wie sich so eine weiße Haut denn anfühlt und ob die wirklich echt ist.
Danach haben wir uns ins Restaurant begeben und den Tag in Ruhe ausklingen lassen wollen, haben aber unfreiwillig unser erstes indisches Unwetter miterlebt. Es hat geschüttet wie aus Eimern und bei dem nicht vorhandenen Kanalisationssystem hier, hat der Regen dann die Straßen sofort in Flüsse verwandelt.
Am Montag endete hier im Projekt das Genesha Festival. Genesha wird verabschiedet, in dem er zurück zum Meer gebracht wird. Hier im Projekt wurde dies symbolisch dargestellt, indem die Statue im Brunnen versenkt wurde. Danach gab es dann noch leckere Früchte und Süßigkeiten zu Essen.
Nach langen hin und her haben wir auch die Schaukel fertiggestellt. Die Stelle an den wir den von uns bemalten Ast zwischen zwei Bäume hängen, hatten wir uns schon länger ausgeguckt. Auch die Ösen für die Aufhängung der Seile hatten wir in der Stadt besorgt. Das Problem war nur die Löcher in den Ast zu bekommen. Einen Bohrer gibt’s hier im Projekt aber halt nicht dauerhaft Strom. Meistens wird der Strom ab 19 Uhr angeschaltet, nur dann ist es hier meist schon dunkel. Also mussten wir diese Tätigkeit von Tag zu Tag verschieben weil wir einfach keinen Strom für den Bohrer hatten. Aber nun ist es geschafft und die Kinder haben sich riesig gefreut. Einziges Problem ist, dass das Seil langsam durchscheuert und wir nochmal ein Vernünftiges aus der Stadt besorgen müssen.
Auch das Gemüsebeet nimmt langsam Formen an. Dazu muss ich sagen, dass wir die 14 Felder hier mit zwei kleinen Handschaufeln und einer Brechstange bearbeiten. Mehr Gartenwerkzeug gibt es leider nicht und ein Sparten wäre echt Gold wert.
Vor ein paar Tagen ist auch der für meinen Führerschein benötigte „Adress proof“ hier eingetroffen. Wieder so eine witzige Geschichte. Der Brief wurde einfach von der Sekretärin in die Projektunterlagen abgelegt und nicht an mich weitergeleitet. Ich hab natürlich die ganze Zeit Streß beim ICDE India gemacht, warum die denn dieses Brief nicht endlich schicken. Nur durch Zufall hab ich mal meinen Projektmanager gefragt ob er so einen Brief vielleicht erhalten hätte. Et voilà.
Also am Wochenende geht’s zum Road Traffic Office, den indischen Führerschein beantragen. Drückt mir die Daumen, dass es alles soweit klappt.