Hochzeit auf Indisch?!
Doch wenn man da mit dem übelsten Kater aufläuft, bringt es nicht ganz so viel Spaß.
Aber zurück auf Anfang. Alles hat eigentlich damit begonnen, dass wir mal einen Abend länger in der Stadt bleiben wollten als 20 Uhr. Leider haben wir hier die Auflage doch bitte um 20:30 Uhr zurück im Projekt zu sein. Jeden Tag! Somit hab ich mit 22 Jahren also wieder ne Zeit, wann ich Zuhause sein muss…
Also haben wir uns überlegt, bleiben wir doch einfach für eine Nacht in der Stadt. Und der Lonelyplanet gibt einige Budgetunterkünfte her, in denen man wirklich merkt: Verdammt, ich bin in einer Backpacker-Unterkunft gelandet. Aber für eine Nacht gehen solche Unterkünfte locker klar.
Um diesen erste Nacht in Mysore auszunutzen, haben wir uns überlegt den Brindavan Gardens einen Besuch abzustatten.
Die Gardens sind unnatürlichen Ursprungs und nur dadurch entstanden, dass ein riesiger Damm errichtet wurde. Bei Nacht wirkt der Garten mit den vielen Springbrunnen durch viele Lichter wie ein kleines Paradies. Die Grillen zirpen und es kam das erste Mal so ein Gefühl wie Urlaubsstimmung auf. Besonders beeindruckend war die Aussicht von der Terrasse des Hotels Royal Orchid, völlig verzaubert von der beruhigenden Umgebung, hätten wir fast den letzten Bus verpasst.
Zurück in Mysore haben wir den Abend dann bei Whisky und Bier auf der Dachterrasse unseres Hotels ausklingen lassen.
Und genau der Whisky war es dann auch, der mir am nächsten Morgen ein bisschen den Tag vermiest hat.
Nach einem ausgiebigen Frühstück haben wir uns schnell bei Georg die offizielle Hochzeitstracht für Gäste angezogen: Lungi mit weißem Hemd und dazu ein weißes Pallu, dass eigentlich nicht großartig anders aussieht als ein Handtuch.
Man sieht hier in Mysore und vor allem in den Dörfern viele Menschen mit diesen Lungis und Pallus rumlaufen. Ich hab mich damals immer gewundert wo die Menschen mit dieser Tracht hinwollen weil es einfach mit diesem Handtuch aussieht als wollen sie zum Schwimmen gehen.
Die Wedding haben wir ganz nach indischer Manier erstmal 1 Stunde zu spät erreicht, haben aber nichts Wichtiges verpasst.
Kurz nachdem die offiziellen Begrüßungsfotos geschossen wurden und wir auf unseren Sitzen Platz genommen hatten, betrat erst die Braut und darauf gefolgt der Bräutigam den Festsaal.
Die gesamte Zeremonie spielt sich eigentlich nur auf der Bühne ab. Das Problem dabei ist, dass Familie, Freunde und Bekannte ebenfalls auf die Bühne gehen um eine besseren Blick auf das Brautpaar zu erhaschen. Wir haben es ihnen nachgetan, denn von den eigentlichen Sitzplätzen hat man so gut wie gar nix gesehen.
Die eigentliche Eheschließung wird dann dadurch gefeiert, dass alle als Zeichen ihrer Freude Reis, der zuvor ausgeteilt wurde, in die Luft werfen.
Nebenbei ertönt natürlich ohrenbetäubende Musik der engagierten indischen Band, die ohne Pause die gesamte Zeremonie durchspielt.
Als Höhepunkt der Feierlichkeiten folgt dann das Hochzeitsessen. Leider konnte ich daran aufgrund von Magenproblemen nicht teilnehmen, ich habe mir aber sagen lassen, dass solche Hochzeitsessen für bis zu 600 Leute ausgelegt werden können und dass man sich seine Speisen selber aus einem breiten Angebot aussuchen kann.
Nach dem Wochenende folgte dann wieder die Arbeit im Projekt. Eigentlich haben wir die Woche nur damit verbracht Termiten zu verjagen. Funktioniert wie folgt: Löcher bohren, ätzende chemische Flüssigkeit einfüllen und mit Silikon die Löcher wieder verschließen. In Deutschland eine Sache von ein paar Stunden. Hier ne Sache von Tagen: kein Strom, Bohrköpfe abgebrochen oder „What is silicon? – Take cement!“ Aber die Sache ist beendet und mal sehen ob sie Wirkung zeigt.
Am Wochenende folgt nun mit Mahatma Ghandis Birthday nochmal ein Feiertag, bevor wir in die Ferien entlassen werden. Wir wurden gebeten an diesem Feiertag zusammen mit den Kindern etwas vorzuführen und so sind wir gerade im Endspurt mit unseren Tanzübungen. Überraschender Weise bekommen die Kinder den Tanz echt gut hin.
Nebenbei haben wir auch noch den ältesten Kindern versucht „active and passive sentences“ beizubringen, aber der häufigste Satz der fiel: „Anna, I don’t understand.“ Also viel Geduld und alles wieder und wieder erklären.
Die Sache mit dem Führerschein war der Tiefpunkt der Woche. Wir sind hochkantig aus dem R.T.O Office rausgeflogen. Erstmal dauert es bis man alle Unterlagen zusammen hat. Dann muss alles in der richtigen Reihenfolge sein, wehe ein Dokument ist am falschen Platz. Dann die Steuern für die Dokumente bezahlen, die Frage ist nur wo? Natürlich auf der anderen Seite des Komplexes, darauf muss man erstmal kommen. Und danach kann man sich in die Schlänge einreihen, die eigentlich nur versucht ins Gebäude zu kommen. An der Eingangstür checkt dann ein Beamter nochmal deine Unterlagen auf Vollständigkeit oder haut dir deine Dokumente buchstäblich im die Ohren. Diskussionen? Zwecklos!
Unser Problem ist die Aufenthaltsgenehmigung aus Bangalore. Damit erhält man in Mysore keinen Führerschein, es sei denn man konsultiert den Police Commissioner of Mysore.
Also ab zur nächsten bürokratischen Einrichtung. Als ich die Story bei mir im Projekt erzählt habe, haben sofort einige Leute mir angeboten ihre Kontakte spielen zu lassen. Na mal sehen was das gibt.
Ohne Brief der Polizei kein Führerschein, ohne Führerschein kann ich leider kein Motorrad auf meinen Namen anmelden. Also es hängt alles an dem Brief. Denke vor den Ferien wird das aber nix mehr.
Das letzte Wochenende haben wir dann mal ruhig angehen lassen und uns im Garten des Government House oder auch „White House of Mysore“ wie es uns erklärt wurde, getroffen. Dort haben wir unsere Reise nach Kerala ab nächste Woche besprochen. Geplant ist von Bangalore aus in die Hauptstadt Trivandrum zu fahren, von dort über Varkala und Kollam zum Backwaters Houseboat nach Alleppey und als Schlusspunkt Cochin. Pünktlich zum Höhepunkt des Desera Festivals sind wir dann wieder in Mysore. Den nächsten Eintrag werde ich also erst in ein paar Wochen verfassen.
Noch als kleiner Nachtrag: Pritha wir das Projekt verlassen. Durch ihre baldige Hochzeit wird sie mit ihrem Mann ans andere Ende von Karnataka ziehen. Schade mit Pritha hatten wir eine kompetente Person an unserer Seite, die uns den indischen Wahnsinn super erklären konnte. Außerdem bin ich gespannt wie das Projekt ohne sie zu Recht kommen soll, schließlich erscheint sie mir wie die rechte Hand des Projektleiters.
Lieber Padi,
ich hab‘ mich so sehr gefreut, dass du mich via skype angerufen hast. Hat mir sooooo viel Spaß gemacht, dass ich jetzt Lust bekommen habe, dich auch wieder anzurufen. Informiere uns weiter so mit deinen tollen Tages-Erlebnissen.
Liebe Grüsse und Küsse von deiner Tante Bettina